In Deine Hände

31 05 2020

In Deine Hände, große Stille,

ich lege meine kranke Stirn.

Entstellt, gelöst, geklärt, entzwirnt –

Befreit von Hoffnung´ sanften Wirren,

Entkleidet aller Kraft und Wille –

Ich füge mich reumütig – Dir.

Drück Deinen Mund an meine Schläfen,

umarme mich – ich bin so leer,

so einsam, ruhig und verklärt,

im tiefen, trüben, kalten Meer –

lass dieses Weh in mir einschläfern

Durch Deine Ruh. Ich träum nicht mehr.





Winter

20 10 2019

Vom sommerlichen Rennen reichlich noch getrost

Und nicht begriffen, dass das Spiel verlor´n,

Noch Kraft im Herzen, noch der Kopf empor

Begegn´ ich diesem ersten leisen Frost.

.

Er tritt heran so weich und so umsichtig,

Allwissend wie ein alter Psychiater,

Der meine Regungen – wie eine Maus ein Kater –

Erkannt, belächelt hat… und hingerichtet.

.

In sein beruhigender Hand gefangen,

Vergeblich ringt man: noch ein Schritt! Ein Wort…

Er ist zu zart, zu unausweichlich, dieser stiller Tod.

Ich zittere nur kurz – und bin vergangen.





Wieder Licht

29 04 2019

Ich habe langsam wieder Licht in mir.

En peu von diesem schönen, stummen Schimmern,

Von dem mir keine Kraft der Welt verraten kann,

warum es da ist: generell, noch immer…

 

Ich bin nun ruhiger, gelassener und freier.

Die Poesie, durch keinen Zwang gepeinigt,

beruhigt ist, erholt und schön bereinigt, –

Ich such nicht mehr mein Wesen zu verschleiern.

 

Dies´ Wärme des Erkennens – nicht verkannt.

En peu von unerklärlich weichem Seelenslicht,

Das ich in Deiner Nähe erst empfand.

Ich habe langsam wieder Licht für Dich…

 

 

 

 





Der Vorhang fällt

15 09 2018

Der Vorhang fällt,

und dieses endlos Drama, –

schon elendige tausendmal gespielt,

Gedeutet tausendmal bis in den Amok

hinein,

Nach jedes neuen Bühnendirektoren Laune,

Sich seinem unausweichlich´ Ende nähert,

Mit bunt und laut die Seele nimmer quält,

Klingt langsam ab. Hallt kurz noch nach. Dann kommt die Stille…

 

Erschöpfter, überreizter Nerven stumme Lähmung.

Noch rauchen schweigsam die ermüdeten Schauspieler,

Noch wandern ruh´los auf der leeren Bühne,

Betäubt durch pure Sinnenüberschwemmung.

Entkleidet jeder Leidenschaft und Wille,

Jeder mit sich allein: ah wie privat und schräg

Ist dies zerbrechliche Intimität der stummen Welt.

 

Und keiner merkt in dieser müden Wonne,

Wenn kein Gesicht seine gewohnte Rolle trägt,

Das Spiel mag aus sein, Lampen und Kulisse weg,

Doch der Zuschauer wacht und lauscht, und schaut und zählt,

Voll Wissbegierde, ohne Scham und Hemmung.

Man will sich schützen, wegdrehen, Augen zu, verstecken,

Man sieht umher und schaudert, denn der Vorhang fehlt…

 





De-Oyster-ised – 2

3 09 2018

Gratwanderung der wund gekratzten Seele,

Kaum mehr gesichert durch den strafen Geist,

Bewusst entwurzelt, auf den Kopf gestellt,

Wie sie so trostlos heiter ihre Schale reißt,

Und auf den Scherben dieser Schale tanzt…

 

Und singt, und jubelt Menschen zu: Gewohnheit

Nur niemanden verlezten! Niemandem zu Last!

Im Schaukeln zwischen Übelkeit und Wonne,

Zwischen der Zuversicht und Ohnmacht. Höhenangst

Und elendige Einsamkeit nach Innen.

 





…erschüttert, schüchtern und berauscht…

13 08 2018

Erschüttert, schüchtern und berauscht. Vielleicht

wie jenes taube Kind auf einem alten Foto, –

das durch das Hörgerät zum ersten Mal im Leben hörte:

Entsetzt und endlos fasziniert zugleich.

Keine Vernunft betäubt mehr dieses Schwärmen,

Dies stumme Drücken unter meinem Schlüsselbein…

Mach meinen Brustkorb auf und lass mich frei:

Ich hätte für uns beide wohl genügend Wärme.





Pendelschläge. I

2 07 2018

I. Боже, verlasse mich nicht…*

*Боже – /boʒə/, de: bOshe, Vokativform für „Gott“/“Herr“ – LucyRenard

 

Боже, verlasse mich nicht.

In der tiefsten Nachtstunde, wenn kein Schlaf kommt,

Nicht und nicht,

Und Gedanken,

beflügelt und trotzig:

vom Motiv zu Motiv,

vom Gesicht zu Gesicht

Schwachsinn!

Stets um dieses Gesicht,

Kreisen,

kreisen,

kreisen

wie ein Hamster im Rennrad,

wie ein Boot ohne Ruder.

 

Ich bin müde, so müde,

Aufgespannt zwischen…

Diesem Aus-sich-selbst-Herauskommen,

Dem Vertrauen-lernen,

Der purer Menschlichkeit, die mir immer verwehrt blieb,

Der Menschlichkeit der Augenblicke,

von der ich mich immer so prächtig schützte,

Die mich aus der Bahn schleudert –

Ah, nein! Eher sanft hinausträgt,

so sanft,

so erschreckend leise,

so vertraut,

mit Halblächeln,

ich blinzle, stottere, rede Unsinn

und wache Nacht für Nacht.

 

Ich bin müde, mich zu wehren,

Atemzüge zu messen,

Augenblicke zu kürzen

– mit Messer!

Tief ins Herz

– so ist es besser!

So tief ins Herz,

In die unausgespochene –

Unaussprechliche –Tiefe

Der ungeformten Gedanken.

In die sinnliche Sinnlosigkeit des Sinns.

In die Erschöpfung des Nicht-Merkens.

 

Боже, lass mich nicht fallen.

Ich habe Angst. Solche menschliche Angst

Vor meinen zu fein gesinnten Sinnesorganen.

Sie helfen nicht mehr. Sie verblüffen.

 

Ich dachte, ich bleibe sachlich,

allgemein gültig,

sächlich,

Warum muss ich stets grinsen,

Als ob ich einen Luftballon verschluckt hätte…

 

Warum bin ich ich?





Nachtwache

25 06 2018

Humor und Weisheit nutzen letztlich nichts,

Wenn ich in tiefster Nacht unruhig wache,

Mit Mühe atme, sehne mich nach Licht,

Und meine alten, nie bekämpften Drachen

Sind wieder da…

Im trostlosen Zwielicht

Sie treten weich voran,

umkreisen mich,

Und ihre schattigen Gesichter lachen…





Freitag, 4.5.

11 06 2018

Ermüdung.

Ein Hammerschlag zwischen die Schulterblätter.
Diese bleierne Wolke,
Die weder schwebt, noch regnet.

Sie umhüllt mich am helllichten Tag,

grinst mich spöttisch an:

schon wieder sieht man sich! –
Und tröpfelt mit gekonnter Langsamkeit

Eines begabten Henkers
Auf meine Papierschulter,
Die kein Gewicht mehr tragen können.

Nicht, dass sie zu schwach wären.
Nicht, dass ich was falsch täte.
Man muss gestehen –
Zum Teufel mit der falschen Scham! –
Ich mache es schon gut.
Durchaus gut…

Nur ist meine Messlatte immer so hoch:

Zu hoch,
Zu unerreichbar.
Kein Sprungstab reicht
In dichten Wolkendunst,

Da oben in der Ferne,
Hinter dem Horizont.

Eines Tages breche ich das Genick

Bei all dem Springen.

Und es ist nicht mal der Stolz, was meiner Seele keine Ruhe lässt.
Eher ist es die ewige Angst vor der Leere,
Vor dem Nicht-Genügen,
Vor dem Fall ins Bodenlose
Ganz alleine, denn wer braucht schon Versager?
– ich finde keinen Halt,
Wenn ich es nur könnte, würd´ ich weinen:
Bitte. Bitte. Ihr sollt, ich sollte
Mir doch gelegentlich auch etwas gönnen:
Ein bisschen Wärme,
Ein bisschen Ruhe,
Ein bisschen mich…





Man kann´s nicht wissen…

4 06 2018

Man kann´s nicht wissen! –

In die tiefste Schlucht der bitteren Verzweiflung mag man hier abrutschen.

Wie manche´s taten.

Jeder schwarze Schwann

Gleicht einem Terroranschlag auf den logischen Verstand:

Mag sein, die Sonne geht im Westen auf,

Mag sein, das Leben fängt beim Sterben an.

 

Immanuel vergrub sich, tiefst erschüttert,

In seinen Bücher, die er schließlich in die Fetzen schnitt,

Passage nach Passage alphabetisch ordnend,

So bitter er an dieser Leere litt.

 

Die schöne Seele eines Friedrichs hielt´s nicht aus:

Aus Sprachenlehre in die Suche nach dem Sinn

der Existenz:

alles ist sinnlos,

alles hin! –

Wie feierlich und traurig, sieh: die Sonne sinkt!

Foucault der Belle Epoque verendete im Irrenhaus.

 

Wer hätte es wissen können, wie es kommt…